Erfahrungsberichte

Bettmüde

#stationäresHospiz, #ehrenamtlich

Haben Sie schon mal das Wort „bettmüde“ gehört? Mir hat die ehrenamtliche Sterbebegleitung von Frau P. einen bunten Strauß neuer Wörter geschenkt.

Im Vorfeld hatte ich nur erfahren, dass Frau P. an einem Hirntumor erkrankt und sehr eingeschränkt in ihrem Sprachvermögen ist und nun ihre letzte Reise im Hamburger Hospiz angetreten hatte. Als ich das erste Mal Frau P. im stationären Hospiz besuchte, lugte sie verschmitzt unter ihrer Bettdecke hervor und hieß mich willkommen. Dann flüsterte sie Geheimnisvolles und Unverständliches. Ich hatte den Eindruck, sie suche ein Gespräch. Ich ließ mich einfach darauf ein, setzte mich zu ihr und übernahm ihre wunderbaren Wortkreationen. Ich glaube, wenn ein Dritter im Raum gewesen wäre, hätte es auf ihn seltsam gewirkt. Doch schnell begann ein „irrsinniger“ und sehr fröhlicher Austausch und ich merkte, dass ich hier genau richtig war.

In den darauffolgenden Wochen verschlechterte sich ihr Allgemeinzustand. Nun drehten sich unsere Gespräche oft um das „müde sein“. Und wieder und wieder erwies sich Frau P. als grandiose Wortschöpferin. Wir tauchten ab in eine Welt, wo es Wörter wie „bettmüde“, „schlafmüde“ und „dunkelmüde“ gab. Bei manchen Besuchen waren ihre Worte aber auch sehr unverständlich. Dann versuchte ich ihrer Wortmelodie zu folgen und diese als Antwort meinerseits anzubieten. Wenn wir so miteinander flüsterten, verging unsere Zeit wie im Fluge.

Eine Zeit lang war es ihr wichtig, mir gute Wünsche mit auf den Weg zu geben. „Schlafen Sie gut und passen Sie auf, ne?“, „Ich wünsche Ihnen alles, alles Gute!“ Wir wünschten uns dann gegenseitig alles, alles Gute und ich bedankte mich nach jedem Wunsch bei ihr und sagte, dass ich mich über ihre lieben Wünsche sehr freue und dass sie eine sehr liebe Frau sei.

Die Begegnungen mit Frau P. bescherten mir wunderbare Momente und berührten mich jedes Mal aufs Neue. Ich freute mich sehr darauf, sie hoffentlich ein weiteres Mal besuchen zu können. Beim letzten Besuch hielt Frau P meine Hand und sagte: „Danke die Hand.“ Ich hätte ewig bei ihr sitzen können!

Vorbereitung aufs Ehrenamt

#ehrenamtlich

Was zunächst überraschen mag: Unsere ehrenamtliche Mitarbeit beginnt mit der Arbeit an und in uns selbst. Wir setzen uns intensiv mit der eigenen Biografie und dem Erleben und Bedürfnissen von Schwersterkrankten, Sterbenden und Angehörigen auseinander. Dieser Lern- und Reflexionsprozess macht viel Freude, ist spannend und zuweilen herausfordernd. Während wir unsere eigne Persönlichkeit entfalten, brauchen und gewinnen wir seelische Stabilität und vertiefen unsere Lebensfreude. Als beglückend erleben wir auch das Zusammenwachsen der Gruppe und das Aufbauen neuer Freundschaften. Dieser Zusammenhalt trägt uns durch die spätere Arbeit.

Im Praktikum erleben wir uns erstmals im Kontakt mit schwersterkrankten oder hilfsbedürftigen Menschen. Wir vertiefen unser Gespür, wo unserer Fähigkeiten und wo unsere Grenzen liegen. Das ist hilfreich für die Frage, an welchen Stellen ich Unterstützungsbedarf habe und welche Begleitung zu mir passt.

Durch das intensive Kennenlernen im Kurs und eine Mitarbeiterkartei wissen die Hospizkoordinatorinnen, über welche zeitlichen Möglichkeiten, spirituellen oder weltanschaulichen Hintergründe und besondere Fähigkeiten wir verfügen. Auch die bevorzugten Einsatzgebiete oder bestimmte Einschränkungen (Tierhaarallergie, Raucherhaushalt…) sind bekannt. So können wir uns darauf verlassen, eine Begleitung angeboten zu bekommen, die zu uns und unseren Möglichkeiten passt. Begleitanfragen über die Koordinatorinnen treffen plötzlich ein. Manche erfordern unsere Spontaneität und Flexibilität, wenn wir uns auf eilige Bedürfnisse des Hilfesuchenden einstellen müssen. Von den Koordinatorinnen erfahren wir, wer, wo auf uns wartet: Erkrankter, Angehöriger oder Familie, Mann oder Frau, jung oder alt, voraussichtlich lange oder kurze Begleitung… Auch der gesundheitliche Zustand und zu beachtende Besonderheiten und Bedürfnisse werden besprochen. Sofern wir im ambulanten Hospizdienst aktiv sind, erfahren wir auch den Einsatzort: Zu Hause, im Pflegeheim oder im Krankenhaus.

Durch unseren Besuch lernen wir die Anfragenden persönlich kennen, auf Wunsch im Beisein der Hospizkoordinatorin. Die in der Schulung erworbene Haltung und die Besonderheit der Situation ermöglichen einen spontanen, herzlichen Zugang zu dem hilfesuchenden Mitmenschen. So wächst schnell ein Vertrauensverhältnis, welches auch in schweren Tagen Halt gibt und entlastet. Beim ersten Kennenlernen erfragen wir, was in den nächsten Tagen, Wochen und Monaten wohl gebraucht werden wird, und vereinbaren weitere Termine.

Was schützt uns davor, in eine Überlastung zu kommen? Wir begleiten immer als Team, bestehend aus einer*m oder zwei Ehrenamtlichen und dem hauptamtlichen Team. Wesentliches Kommunikationsmittel ist unsere Dokumentation nach jedem Kontakt, die das Hauptamt umgehend beantwortet. Hier erhalten wir beispielsweise hilfreiche Informationen, Tipps, ermutigende Worte und vor allem Anregungen für eine vertiefte Selbstreflexion. Persönlich, per Mail, Fax oder Telefon gelingt die Verständigen leicht und schnell.

Daneben unterstützen wir Ehrenamtlichen uns gegenseitig in der regelmäßig stattfindenden Inter- und Supervision. Hier ist auch Zeit und Raum, sich mit Ritualen von abgeschlossenen Begleitungen innerlich zu verabschieden. Fortbildungswünsche (auch mehrtägige) werden aufgegriffen, organisiert und in der Regel finanziert. Auch hier haben wir die Möglichkeiten, das Erlebte zu verstehen, zu verarbeiten und unsere Möglichkeiten zu erweitern.

Einmal jährlich finden Seminartage statt, die uns stärken, inhaltlich weiterbringen und natürlich Freude machen. Neben der Hospizarbeit treffen wir uns zu Ausflügen und zum Sommer- und Weihnachtsfest. So setzen wir auch unser Bedürfnis nach sozialen Kontakten und schöner Freizeitgestaltung um.

Resümee: Durch die Teilnahme am Kurs und durch unsere Tätigkeit sind wir keine besseren Menschen geworden! Aber wir sind in einen lebenslangen Lernprozess eingestiegen, der es uns ermöglicht, achtsam im bewussten Kontakt mit unseren Gefühlen, Gedanken und Schlussfolgerungen zu kommen. Wir bekommen ein Gespür dafür, was im Leben wirklich wichtig ist. Unsere Grenzen und Schwächen müssen wir nicht mehr verstecken, ebenso wenig unsere Talente und Fertigkeiten. Und vielleicht haben sich Lebensfreude, Dankbarkeit, Humor und Demut vertieft.

Und wenn wir sterbende und angehörige Mitmenschen kompromisslos nach deren Wertvorstellungen begleiten, leben wir diese Erkenntnisse und geben weiter, was wir erfahren durften. Einen wohltuenden einfühlsamen und respektvollen Umgang im Hospiz, der für neue Erkenntnisse öffnet, der zu weilen tröstet und immer stärkt.

Sicherheit

#Bildungsarbeit

Liebe Hospizmitarbeiter, letzte Woche ist eine liebe Freundin nach langer Krankheit dann doch sehr plötzlich verstorben … ich erlebe die Zeit danach, die Gespräche, den Austausch von Erinnerungen, das gemeinsame Organisieren mit den Angehörigen – „was passiert mit dem Hund, was mit dem dementen Lebensgefährten, wie organisieren wir die Bestattung???“… – trotz der Traurigkeit als so friedlich, wohltuend, nährend… Ich glaube, das hat damit zu tun, dass ich durch Vorträge und Veranstaltungen in Ihrem Hospiz weniger Berührungsängste habe, Sicherheit spüre und bereits eine andere Haltung zu Sterben und Tod entwickeln konnte. So melde ich mich heute zum nächsten Vortrag bei Ihnen an…

Kostbar:

#Bildungsarbeit

Liebe Hospizmitarbeiter, im Rahmen meiner Ausbildung habe ich zusammen mit unserer Ausbildungsgruppe das Hamburger Hospiz besuchen dürfen. Vortrag, Führung durch das Hospiz und das Beantworten zahlreicher Fragen füllten schnell zwei Stunden aus. Dabei hat mich die Atmosphäre in Ihrem Hospiz tief „berührt“. Seinen Frieden machen, sich mit dem Tod aussöhnen sind die Impulse, die nach diesem Besuch in mir hochkamen. Wir sind alle Reisende in diesem Universum mit ungewissem Ziel und in jedem Augenblick. Vielen Dank für diese kostbare Erfahrung!

Lebenswerte Zeiten

#stationäresHospiz

Als Theologin habe ich mich schon immer mit dem Lebensende beschäftigt und auch viele Menschen in den Tod begleitet. Dies führte mich zuvor schon zweimal hierher. So wusste ich, dieses ist ein offenes Haus mit guten Zimmern. Auch das Konzept gefiel mir. Als meine Onkologin mir sagte, dass ich mich mit dem Gedanken an den Abschied auseinandersetzen müsse, schaute ich mir das Hospiz ein drittes Mal an. Dieses Mal um zu überlegen, hier selber einzuziehen.

Zuhause habe ich einen Stab von Freunden, die immer für mich da sind und von denen ich mich 100% umsorgt fühle. So einen Freundeskreis kann man nicht bezahlen! Auch der Pflegedienst und die ärztliche Versorgung waren gut.

Als ich den Anruf bekam, ich könne ins Hospiz einziehen, war dies im ersten Moment also ein Schock für mich! Ganz viele Fragen bewegten mich: Komme ich je wieder lebend aus dem Hospiz raus? Wie wird meine Zukunft aussehen? Muss ich vor dem Einzug noch etwas erledigen? Bin ich kurz vor dem Sterben?

Doch es war mir wichtig, rechtzeitig hierher zu kommen. Meine Familie lebt im Emsland. Und hier weiß ich, dass immer jemand da ist, der mir hilft. Ich muss nur klingeln. Und die Mitarbeiter geben mir das Gefühl, dass es ihnen allen gut geht und dass ihnen das Helfen nicht zu viel wird. Dafür bin ich voller Dankbarkeit!

Vielleicht ist das hier mein Abschiedsort, doch noch bin ich mit dem Ziel hier eingezogen, wieder auf die Beine zu kommen! Ich heiße Mechthild, was mächtige Kämpferin bedeutet. Und wenn meine Kräfte es eines Tages wieder zulassen, ziehe ich aus, zurück in meine Wohnung. Manches, was mir besonders viel bedeutet, habe ich hierher mitgenommen: Meine Engel, meine Gitarre und meine Ikonen. In der Gemeinde Angebote für Kinder und ältere Menschen zu machen, ist „mein Ding“! Da ist meine Gitarre immer dabei.

Hier werde ich als Gast bezeichnet, meine Freunde sind auch Gäste des Hauses. Meine Besucher sind erstaunt, „was sind die hier alle nett!“ sagen sie mir und erzählen, dass ihnen Kaffee und Kuchen angeboten worden ist. Aus den Besuchen im Krankenhaus kennen die das nicht. Meine Freunde kommen mich hier also gerne besuchen. Auch sie erleben, wie herzlich und offen die Mitarbeiter sind. Die Mitarbeiter lassen uns spüren, wir sind willkommene Gäste!

Abschied vom Liebsten

#stationäresHospiz

Durch den schwankenden Gesundheitszustand meines Mannes war ich in den letzten Monaten in permanenter Alarmbereitschaft und extremen Gefühlsschwankungen ausgesetzt. An den Tagen, an denen es meinem Mann gut ging, dachte ich „es ist nur ein böser Traum, er ist gar nicht schwer krank, die Ärzte haben sich geirrt. Wir können wieder Pläne machen!“ An anderen Tagen dachte ich, „jetzt macht er sich auf den Weg…“

Bei gesundheitlichen Krisen habe ich mich immer gefragt: „Mache ich alles richtig?“. Die Unsicherheit war ein enormer Druck für mich. Zudem wuchs der Zuwendungsbedarf stetig und Krankenhausaufenthalte folgten. Ich merkte, zu Hause geht es absolut nicht mehr! Leider habe ich schon viele Familienangehörige im Krankenhaus verabschieden müssen und als die Ärzte uns rieten in ein Hospiz zu gehen, ahnte ich, dies ist die optimale Lösung! Seit einer Woche sind wir nun zu Gast im Hospiz.

Ich bin überglücklich, dass ich hier sein darf! Hier ist es wundervoll! Endlich kann ich einmal loslassen, ja mich richtig fallen lassen und auch wieder schlafen. Es klingt paradox, doch es fühlt sich für mich an wie „zuhause ankommen“. Es tut mir gut an diesem Ort zu sein, denn ich fühle mich behütet und geborgen. Und ich weiß, mein Mann ist gut umsorgt. Mein Mann spürt wie ich mich entspanne. Auch er hat sich sofort entspannt. Und ich bin erstaunt, wie mein Mann im Hospiz auflebt. Endlich können wir wieder unsere guten Momente gemeinsam genießen!

Meine Alltagsangelegenheiten habe ich nun „abgeschaltet“. All das halte ich von mir fern. Es ist jetzt nicht wichtig. Ich gebe jetzt vor, wann und wen ich zu Besuch haben möchte. Ich bin erstaunt über mich selbst, denn das ist völlig neu für mich! Warum kann ich das?! Aber ich fühle mich hier so sicher. Hier bin ich nicht nur die Ehefrau von einem Patienten, sondern ich selbst bin gemeint. Auch mir soll es gut gehen! Noch muss ich mich daran gewöhnen, aber hier darf ich klingeln und um Unterstützung bitten.

Für meinen Mann gibt es im Hospiz kein „Müssen“. Er ist selbstbestimmt, obwohl er oft nicht mehr sprechen kann. Doch mit seiner Haltung zeigt er, welche pflegerischen Maßnahmen er zulässt und ablehnt und alle richten sich danach. Und unsere Enkel (6 Jahre bis 8 Monate) dürfen ihren Opa hier jederzeit besuchen.

Ein handgeschriebener Brief

#ambulantesHospiz

Liebe Frau Reifegerste,

auch Ihnen gilt mein Dank. Sie haben mich während der letzten Wochen, als mein Mann immer schwächer wurde, mit Ihren Gesprächen gestützt und mir Kraft gegeben.

Nun ist er tot und ich begreife langsam, dass ich mich auf ein neues Leben einlassen muss. Es ist sehr schwer – aber ich habe Unterstützung…

Ich brauche noch Zeit, aber ich habe Hoffnung, dass ich das Leben irgendwann wieder schön finden werde…

Danke dass Sie für mich da waren!

Trauer in Form und Farbe

#Trauerarbeit

Manchmal passt alles zusammen und es wird eine runde Sache. Die Einladung, an dem eintägigen Seminar „Trauer in Form und Farbe“ teilzunehmen, erreichte mich zum richtigen Zeitpunkt.

Eigentlich hilft mir in allen schweren Lebensphasen und ganz besonders in der Trauer „das Wort“; ausgesprochen, gehört, gelesen und vor allem geschrieben. Wenn man etwas Bewährtes kennt, auf das man zurückgreifen kann, verharrt man manchmal und es fehlt die Bereitschaft, Neues auszuprobieren, was schade sein kann. Ich weiß, man kann Gefühle tanzen, singen und eben auch malen. Also habe ich innerlich nicht abgewunken, „ach nö, Malen ist nichts für mich“. Die Anmeldung fiel mir auch leicht, weil ich Frau Joschko und den Hamburger Hospiz e.V. bereits von einer Trauergruppe kannte.

Wie alles im Hamburger Hospiz e.V., ist auch die Bereitstellung von Materialien, wie verschiedenen Papierformaten, Farben, Stiften, Pinseln, den ganzen Kram den man beim Malen benötigt, sehr großzügig. Den Anleitungen von Frau Joschko konnte ich nicht nur gut folgen, ich hatte in keinem Moment das Gefühl, nun aber ein präsentables Ergebnis liefern zu müssen. Und es stimmt was in der Einladung stand! Man muss weder malen noch zeichnen können. Das konnte ich mir zunächst schwer vorstellen. Doch Frau Joschko hat eine liebenswürdige Aufmerksamkeit und ist sehr präsent. Ich fand, es trug auch zur guten Atmosphäre bei, dass sie bei uns blieb, während wir malten. Abgesehen von diesem persönlichen Einsatz verspürt man im Hospiz insgesamt eine sehr gute, wohltuende Energie.

Ehrlich gesagt, waren meine Bilder dann rührend bis erbarmungswürdig in ihrer Schlichtheit. Aber ich fühlte mich gut beim Malen! Ich konnte mich treiben und den Pinsel fließen lassen und war dann erstaunt im Ergebnis etwas auf dem Papier zu sehen, was ich zuvor mit meinem „inneren Auge“ gesehen hatte. Was das war? Zum Beispiel, dass es im Dunkel der ersten Trauer auch lichte Momente der Zuversicht, der Geborgenheit gab, dass mich die Liebe meiner Toten, alles was sie mir an Aufmerksamkeit und Zuwendung zuteil werden ließen, mich wie ein Schutzmantel umgibt. Es war schön dies – wie bescheiden auch immer – bildlich ausdrücken und darauf blicken zu können.

Wir waren eine kleine Gruppe, es war nur ein Tag. Trotzdem konnten wir in dieser Zeit eine Beziehung zueinander aufbauen. Der Raum, in dem wir malten, war nicht zu groß, nicht zu klein, jede hatte genügend Platz und Licht. Neben dem „Malraum“ hatten wir gleich anschließend einen anderen Raum zur Verfügung, in dem wir Pausen abhielten, etwas zu uns nahmen. Die Küche durften wir auch benutzen und die mitgebrachten Leckereien ergaben ein tolles Buffet. Man hätte meinen können, wir haben uns vorher abgesprochen.

Insgesamt war es ein schöner Tag in angenehmer Gesellschaft, mit neuen Erfahrungen. Ich kann eine Teilnahme nur weiterempfehlen.

Moderierte Trauerselbsthilfegruppe:

#Trauerarbeit

Als ich die Anzeige für eine moderierte Trauerselbsthilfegruppe entdecke, lebt mein Vater noch. Es beruhigt mich, dass es so etwas gibt. Im November, einer tristen Jahreszeit, stirbt mein Vater. Meiner „Tagesordnung“ wie gewohnt zu folgen, ist mir unmöglich. Ich beschließe, zur Trauergruppe zu gehen, dorthin, wo jeder Teilnehmer einen geliebten Menschen verloren hat. Sofort fühle ich mich mit den 10 Teilnehmern wohl. Und während draußen der erste Schnee fällt, zünden wir Kerzen für unsere Verstorbenen an und erzählen.

Es tut mir gut, nicht auf mich allein gestellt zu sein. Und es tut mir gut, auf Menschen zu treffen, die meine Gefühle aus eigener Erfahrung kennen. Hier, wo auch andere Menschen schmerzhafte Emotionen zulassen, ist der richtige Ort, meine Tränen fließen zu lassen, zu erzählen und anderen zuzuhören. Denn wo sonst kann ich davon berichten, wie es sich anfühlt, am Grab ein Picknick zu machen, oder wie schwer Weihnachten ist und wie taktlos Arbeitskollegen dieses Thema abhaken. Einmal wöchentlich nutze ich die Gelegenheit, bei einer Tasse Tee und Keksen zu weinen, zu reden oder zu schweigen. Frau Gragert, unsere Trauerbegleiterin, schreckt vor dem Thema Tod mit all seinen Facetten nicht zurück. Sie bietet jeden Abend eine Besinnungsübung, ein Gedenkritual und ein Thema für unseren Gedankenaustausch an. Das tut mir gut. Dabei darf alles sein: Fragen ohne Antworten, Bedauern, Wut, Schuld, Vergebung und was in Liebe verbunden hat.

Auch schwierige Fragen bewegen wir: Soll ich die Kleidung des geliebten Menschen aufbewahren oder die Möbel umstellen oder gar wegräumen? Unsere Fragen und Gedanken finden oft kein Ende, doch Frau Gragert achtet auf die Zeit und auch darauf, dass jeder zu Wort kommt. Und sie geht auf jeden individuell ein. Am Ende jeden Treffens schenkt sie uns Geschichten, Gedichte oder Gedanken, die uns in der kommenden Woche begleiten werden. Nun, ein halbes Jahr später, trifft sich der „harte Kern“ der Gruppe eigenständig, ohne unsere große Stütze Frau Gragert weiter. Die Tränen haben uns zusammengeschweißt. Wir sind sehr vertraut miteinander. Durch den Austausch können wir unsere Gefühle einordnen. Und wir spüren, das Leben wird auch wieder schön. Heute können wir auch mal wieder lächeln, schmunzeln oder lachen. Und vielleicht fällt es irgendwann wieder leicht, tanzen zu gehen, Musik zu hören und richtig Spaß zu haben. Gerade, wenn man dabei an den Verstorbenen denkt, denn vielleicht hätte er/sie jetzt gerade gelächelt oder gelacht?