Elke Huster-Nowack

35 Jahre Hamburger Hospizverein: „Immer noch eine Herzensangelegenheit“

Der Hamburger Hospizverein feiert im November sein 35-jähriges Bestehen – als ältester Hospizverein der Stadt. Gründungsmitglied und Vorsitzende Elke Huster-Nowack blickt auf bewegte Zeiten zurück und verrät, ob sie sich selbst vorstellen kann, ihre letzten Tage in einem Hospiz zu verbringen.

Der Verein Hamburger Hospiz wird 35 Jahre alt. Und Sie sind von Anfang an mit dabei?
Elke Huster-Nowack: Ja und nicht nur das: Ich bin mittlerweile das letzte verbliebene Gründungsmitglied. Ich habe schon mein halbes Leben mit dem Verein Hamburger Hospiz und seinen Projekten verbracht.

Ende der 80-er Jahre gab es in Deutschland noch keine Hospize, anders als im Gründungsland Großbritannien. Wie sind Sie auf das Thema gekommen?
Ich bin Anfang 1987 von der Hamburger Innenbehörde in die Gesundheitsbehörde gewechselt und hatte dann ziemlich bald den Auftrag bekommen mich um das Thema der sogenannten „Sterbekliniken“ zu kümmern. Damals sind viele junge Menschen schwer an AIDS erkrankt und teilweise sehr schnell gestorben, andere wurden pflegebedürftig. Ich hatte damals Gelegenheit das St. Christophers Hospice in London besuchen zu können und die Struktur und Arbeitsweise eines Hospizes kennenzulernen. Und es wurde in der Folgezeit deutlich, dass das Thema auch in Hamburg diskutiert werden muss.

Wie ging es dann weiter?
Mein damaliger Abteilungsleiter, Professor Heinz Lohmann, hat mich zu einem Gespräch gebeten mit der Therapeutin Gunda Brüning und dem Arzt Wolfgang Kendel – die beiden hatten die Idee, einen Hospizverein zu gründen mit dem Ziel, ein Hospiz in Altona aufzubauen. Brüning und Kendel hatten zuvor über einen längeren Zeitraum eine Gesprächsgruppe für krebskranke Menschen im AK Altona geleitet. Im November 1990 wurde dann der Hamburger Hospiz e.V. ins Leben gerufen, als erster Hospizverein in Hamburg, unter anderem mit mir als Gründungsmitglied.

Gesucht: ein Gebäude und viel Geld

Bis das Hamburger Hospiz im Helenenstift eröffnet wurde, gingen noch mal elf Jahre ins Land. Warum hat das so lange gedauert?
Die Suche nach einer geeigneten Immobilie erwies sich als sehr schwierig. Man brauchte ja ein Gebäude, das groß genug und von den baulichen Gegebenheiten geeignet war, um 16 Gäste in ihren letzten Tagen bestmöglich zu begleiten. Im Jahr 1997 ist dann das Helenenstift in Altona gefunden worden. Die Immobilie stand leer – vorher war es ein Pflegeheim der DRK-Schwesternschaft und davor ein Krankenhaus mit Kreißsaal gewesen. Aber das Gebäude Helenenstift war damals in keinem guten Zustand. Es musste also massiv umgebaut und modernisiert werden.

Das war bestimmt nicht billig?
Ja, das liebe Geld (lacht) … Gunda Brüning war zum Glück sehr überzeugend, wenn es darum ging, finanzkräftige Hamburger um Geld für ein solches Projekt zu bitten. Gründungsmitglieder des Vereins waren auch ein Rechtsanwalt, eine Dermatologin, ein Notar und ein Psychiater. Die haben alle mitgeholfen, dass ein Grundstock für das neue Haus zusammenkam. Dann gab es auch Verhandlungen mit dem Bund und der Freien und Hansestadt Hamburg zur Frage einer finanziellen Förderung. Der Bund hat dann tatsächlich 2,5 Millionen D-Mark bereitgestellt und die Stadt Hamburg hat auch fast 400.000 DM dazu gegeben, das war natürlich toll.

Alles da – außer Bettwäsche

Welche Erinnerungen haben Sie an die Eröffnung des Hospizes in Altona?
Diesen Tag werde ich nie vergessen! Ich stand am Tag vorher mit Gunda Brüning im Haus und habe mir die Zimmer angeguckt und dann ist mir etwas aufgefallen: Es gibt keine Bettwäsche! Dann sind wir ganz schnell zum Dänischen Bettenlager (heute Jysk) gefahren und haben die gekauft und Blumen noch dazu, damit die Zimmer schön hergerichtet werden. Es war dann auch ein großer Erfolg und ich hatte das gute Gefühl: Das haben wir geschafft.

Zuvor hatte Sinus 1997 das erste Hospiz Hamburgs ins Eimsbüttel eröffnet.
Ja, auch das Hospiz Hamburg Leuchtfeuer in 1998 sind uns da ein bisschen zuvorgekommen (lacht). Das Hospiz von Sinus lag in einer Wohnungsetage in der Margaretenstraße. Aber es war gut, dass es das gab und der Anfang gemacht war!

Nach der Eröffnung des Hospizes im Helenenstift war das Vereinsziel ja erreicht. Sie hätten sich zurückziehen können, haben aber weiter gemacht. Warum?
Wenn ich was mache, dann mache ich das richtig! Für mich ist es immer noch eine Herzensangelegenheit. Wir haben ja auch wunderbare Erlebnisse gehabt mit dem Hospiz. Im Oktober 2001 sind die ersten Gäste eingezogen. Mit dem nachhaltigen Umbau einer alten Immobilie mit Geschichte mitten in Altona hatte es Vorbildcharakter für ganz Deutschland. Es gibt noch ein schönes Foto im Archiv vom Besuch der damaligen Gesundheitsministerin Ulla Schmidt. Die hatte auch einen jungen Bundestagsabgeordneten im Schlepptau, einen gewissen Olaf Scholz …

Seit 2001 in Altona: das Hamburger Hospiz im Helenenstift.

Welche Hürden gab es in den ersten Jahren?
Es musste sich alles erst einmal einspielen mit den Kostenträgern, den Krankenkassen und auch dem Medizinischen Dienst der Krankenkassen. Teilweise wurde bei den Gästen im Hospiz die Hospizbedürftigkeit infrage gestellt. Und auch, wenn der Hospizaufenthalt bewilligt wurde, musste das Helenenstift manchmal lange auf Gelder warten. Mehrere Jahre mussten die Gäste auch einen Eigenanteil an den Kosten leisten. Seit etlichen Jahren tragen die Krankenkassen 95 Prozent der abrechnungsfähigen Kosten, den Rest von mindestens 5 Prozent müssen die Hospize selbst tragen. Aufgebracht wird dies durch Spenden oder auch Erbschaften. Aber: Heutzutage an Spenden zu kommen ist schwieriger als früher, weil die Leute mehr auf ihr Geld achten müssen. Das sind für das Hamburger Hospiz im Helenenstift und das Hamburger Hospiz am Deich in Bergedorf, das 2023 dazu gekommen ist, rund 280.000 Euro jährlich.

„Sterben ist kein Tabuthema mehr“

Sie haben das Hamburger Hospiz am Deich erwähnt. Das war früher mal eine Schule, dann ein Künstlertreff. Vor dem Umbau wurde die Stiftung Hamburger Hospiz gegründet – warum?
Wir hatten das davor schon länger überlegt und als die Pläne für das Hamburger Hospiz am Deich konkreter wurden, haben wir uns dazu entschlossen. Ein gemeinnütziger Verein ist aus strukturellen Gründen nicht dazu geeignet zwei Hospize zu betreiben. Daher wurde im August 2022 die gemeinnützige Stiftung Hamburger Hospiz gegründet. Der Hamburger Hospiz e.V. wird als Förderverein weitergeführt.

In Hamburg gibt es mittlerweile zehn stationäre Hospize, darunter ein Kinderhospiz. Der Ambulante Hospizberatungsdienst begleitet sterbenskranke Menschen zuhause, in Krankenhäusern und Pflegeheimen. Sind die Menschen heute offener für das Thema Hospiz als vor 35 Jahren?
Ja! Die Themen Hospiz. Tod und Sterben sind viel mehr in der Gesellschaft angekommen. Es ist kein Tabuthema mehr. Heute wissen die meisten Menschen in Deutschland, was ein Hospiz ist. Aber wenn man sich anschaut, dass von den rund 20.000 Verstorbenen im Jahr in Hamburg lediglich rund 1500 Menschen in Hospizen sterben, dann weiß man: Es ist vielleicht noch Luft nach oben. Die meisten Menschen sterben noch immer im Krankenhaus (rund 44 Prozent) und die wenigsten zu Hause. Die Palliativstationen in den Hamburger Krankenhäusern, die SAPV-Teams (steht für Spezialisierte Ambulante Palliativversorgung), die Palliativ-Teams und die ambulanten Hospizdienste mit dem Angebot der Begleitung schwerstkranker Menschen in der Häuslichkeit und auch in Pflegeeinrichtungen haben zu einer erheblichen Verbesserung der Situation beigetragen.

Haben Sie trotzdem noch Wünsche?
Das noch mehr Menschen sich ehrenamtlich engagieren in der Hospizbewegung, ob im ambulanten oder stationären Bereich. Und, dass die, die es sich finanziell ermöglichen können, unsere Arbeit weiter unterstützen.

Zum Schluss eine persönliche Frage: Würden Sie selbst in ein Hospiz gehen, wenn sie unheilbar krank wären?
Ja, ich kann mir das gut vorstellen. Ich habe auch schon eine Kollegin mit einer schnell fortschreitenden Krebserkrankung auf ihrem Weg bis ins Hospiz im Helenenstift begleitet. Und vor meiner Pensionierung in der Gesundheitsbehörde hatte ich ja auch oft mit schweren Themen zu tun, auch mit Tod und Sterben. Wenn ich jedes Mal erschrocken gewesen wäre, wie hätte das gehen sollen? Ich habe vielleicht die Angst vor dem Tod ein bisschen verloren, weil mein Vater nach einer schweren Krebserkrankung zu Hause gestorben ist, da war ich 17 Jahre alt. Ich bin eher ein pragmatischer Mensch, kann mit Schwierigkeiten und Problemen gut umgehen. Irgendwie gibt es immer eine Lösung.

Vielen Dank für das Gespräch!

Zur Person
Elke Huster-Nowack ist ehrenamtlich Vorsitzende der Stiftung Hamburger Hospiz sowie des Fördervereins Hamburger Hospiz e.V. Im Vorstand des Hamburger Hospiz e.V. arbeitet sie seit Jahren zusammen mit Uwe Grund und Ulrich Meinecke,  im Vorstand der Stiftung Hamburger Hospiz mit Frank Liedtke und Ulrich Meinecke. Sie war mehr als 30 Jahre lang im Gesundheitsbereich der Stadt Hamburg tätig, bevor sie 2021 in Pension ging. Ihr Engagement für die Hospizarbeit ist weiterhin ungebrochen.
Mehr Infos zu Stiftung: https://stiftung.hamburger-hospiz.de/

 

Published On: 24. November 2025Tags: , , Categories: Allgemein, Hospizarbeit

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